Fridays For Future: Portraits
"DER ZEIT DIE FENSTER EINWERFEN" (Erich Kästner)
Konzeption, Text und Fotografie
Das ist provokativ. Aber es ist vonnöten. Es ist ein Akt aus Hilflosigkeit. Natürlich. „Der Zeit die Fenster einwerfen“. Aus dem Mund Erich Kästners, Autor von so liebevollen Büchern wie „Pünktchen und Anton“ oder „Emil und die Detektive“, klingt dieser Satz sehr befremdlich. Zunächst. Wir sind in Versuchung, zu glauben, das seien eben nur Jugendbücher. Nein! Sie sind wichtig. Sie halten uns Spiegelscherben vor die Gesichter.
Denn eigentlich erzählen sie vom Ausgeliefert sein junger Menschen gegenüber uns Erwachsenen. Sie haben uns ihr Vertrauen geschenkt. Sie haben zu uns aufgeschaut mit freudigen, erwartungsvollen, noch ahnungslosen Blicken und nach Orientierung gefragt. Wir haben Sie wider besseres Wissen im Regen stehen lassen. Unsere eigenen Kinder sind es, die von uns täglich bestohlen, belogen und betrogen werden. Jetzt bilden sie eine Gemeinschaft, um gegen uns aufzustehen. Gegen diejenigen, die versagen. Gegen diejenigen, die unsere Erde in Gut und Böse einteilen, in Reich und Arm, in Richtig und Falsch, Wahrheit und Lüge, in Rechts und Links und wer weiß in was alles noch. Gegen diejenigen, die sich zusichern, verantwortungsvoll zu handeln, aber nur den Profit im Blick haben. Es reicht. Ja, es reicht wirklich.
Die Jugend wirft uns Erwachsenen nun die Fenster ein. Das ist ihre legitime Form des Protestes. Sie sollen uns empfindlich treffen. Ja, sie haben Recht. Die „Fridays for Future“-Bewegung ist das Klirren des Fensterglases.
Es hat sich mit den Jahren so vieles angesammelt, was auf den Müllhaufen der Menschheitsgeschichte gehört. Es ist nicht nur die Erderwärmung, die besorgt. Einen Überblick über die angehäuften Sünden zu erhalten ist wahrscheinlich unmöglich. Die Fülle macht sprachlos. Deshalb der Zeit die Fenster einwerfen. Wir stehen nun da in unserer Zeit und mögen sie einfach nicht mehr. Jugendliche werfen ihr die Fenster ein und es sind Schläge in die Gesichter ihrer Eltern. Es ist soweit, barfuß über die Glasscherben unserer Zeit zu laufen. In ihren Splittern spiegelt sich der Zustand unserer Welt: fragmentiert, deformiert, unkenntlich – ein Zerrbild. Was tun? Mit unseren Kindern gehen und an Kästner denken. Wir sollen bei jedem Schritt spüren, was wir getan haben. Es ist der geringste Schmerz. Was unsere Kinder erdulden werden, wenn wir, ihre Eltern nicht mehr da sind – wir sollten es besser nicht wissen wollen. Gehen wir mit unseren Kindern und schauen in ihre Gesichter.
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