VOM WESEN DER AUGEN 500 Milionen Jahre. Eine unbegreiflich lange Zeit. Unser Sehen und Verstehen begann mit einer schattenhaften Wahrnehmung.
Sehen dient nicht nur der Orientierung, sondern kann Gefühle erzeugen und Empathie ermöglichen. Individuelles Sehen wurde durch die Fotografie vom eigenen Auge befreit. Das bis dahin nur für sich selbst vorhandene innere Bild wurde auch für andere verfügbar, die persönliche Sicht entwickelte sich zu einer Botschaft.
Eine ursprünglich schlichte, lichtaufnehmende Zellenansammlung bildete sich zu einem Sinnesorgan aus, welches mithalf, eine umfassende Vorstellung des Menschen von sich Selbst zu ermöglichen. Das Auge kann gleichermaßen seinen Blick nach Aussen und nach Innen richten.
Mit dieser Möglichkeit gewinnt auch die Wahrnehmung und Vorstellung von der Welt an Bedeutung: Pflanzen und Tiere, ja die Erde als der für uns einzig mögliche, Leben spendende Planet im weiten Universum erhalten eine Gestalt.
Das Auge hat sich über die anfängliche Fähigkeit weit hinaus entwickelt. Es ist über sich hinausgewachsen. Es ist zu einem Organ der umfassenden und detailierten Wahrnehmung geworden. Ein über sich selbst hinauswachsen wollen und können, ist somit eine in uns Menschen vorhandene Fähigkeit. Auch mit Hilfe der Augen ist es möglich, uns eine Zukunft vorzustellen, eine Utopie zu entwickeln.
Dabei bleiben, beinahe zweihundert Jahre nach der Erfindung der Silberbildfotografie, in der digitalisierten Kommunikations- und Medienwelt, die generellen Prinzipien der Bildentstehung erhalten, soweit sie nicht von automatischen Kameras erstellt werden. Mit einem Foto wird ein Geschehen abgebildet, wie es in jenem Moment und Zusammenhang auf einer Netzhaut erschien. Zugleich wird dem Bild eine persönliche Wahrnehmung hinzugefügt. Durch die Augen erreicht das Bild das Wesen eines Betrachters und wird dadurch zu einer Empfindung. Das Bild erhält eine Bedeutung. Ebenso deutet der Fotograf durch das Foto auf sein eigenes Wesen, öffnet sich selbst der Betrachtung und macht seine Botschaft nicht zuletzt auch angreifbar. Das Sehen ist nicht nur eine Wahrnehmung des Sichtbaren, sondern immer mit dem Unsichtbaren im Menschen verbunden. Das, was der Mensch sieht und zeigt, ist eine Erzählung vom Sehnen und Sein.
Ralf Gerard | 2018
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